Das ängstliche Selbst

Der kurze Weg vom Ideal der Selbstverwirklichung zum Zwang zur Autonomie

Zusammenfassung

In den letzten drei oder vier Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wandelte sich unsere Gesellschaft von einer sich auf Disziplin, mechanischem Gehorsam, Konformität und Verboten gründenden Gesellschaft zu einer solchen, die auf Autonomie, das heißt persönlicher Leistung, Wahlfreiheit, Eigenverantwortung und Initiative des Einzelnen setzt. Dieser Prozess der Aufwertung von Autonomie durchzieht das gesamte soziale Leben; was einst als individuelle Leistung zur Verwirklichung eigener Ideale und Ziele erbracht werden musste, wird zum Paradoxon: Die Prozesse, die einmal die Steigerung einer qualitativen Freiheit versprachen, sind zur Ideologie, zur Aufgabe der Selbstwerdung geworden – erfahrenes Ungenügen einbegriffen. Aus einem „Darf ich das?“ ist ein „Kann ich das?“ geworden. Wann und wo die eigene Verantwortlichkeit anfängt oder aufhört, muss vorzugsweise selbst bestimmt werden. Da kann der „Schwindel der Freiheit“ (Kierkegaard) dann schon mal zu Unsicherheit, Ängsten, Depressionen und vor allem Handlungsunfähigkeit führen

Abstract

Abstract: The Anxious Self. The Short Path from the Ideal of Self-Realisation to Enforced Autonomy.
In the last three or four decades of the 20th century our society changed from one based on discipline, mechanical obedience, conformity and prohibitions to a society which counts on autonomy, focussing on personal performance, freedom of choice, individual responsibility and initiative. This process of promoting autonomy permeates all social life; what once had to be delivered as an individual effort to achieve one´s own ideals and goals becomes a paradox. The processes which once promised an enhanced quality of freedom have changed to an ideology, to the task of individuation – this comes part and parcel with experiencing inadequacy. “May I do this?” has changed to “Am I able to do this?” The individual must preferably decide for herself/himself, when and where her/his own responsibility starts and ends. The “dizziness of freedom” (Kierkegaard) then might lead to insecurity, anxieties, depressions and especially to an inability to act.

Angst und Mut

33. Jahrgang, Heft 2 / 2019 Seite 29

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